Dr. Helmut Heymann

Präsident des Verbandes Deutscher Bürgervereine e.V.

 

 

 

 

 

 

Bürgervereine –

Tradition und Zukunft

 

 

 

 

 

 

Rede auf dem 23. Deutschen Bürgertag

18.-20. September 2009 in Leipzig

 


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Titel meines Vortrages heute morgen lautet „Bürgervereine – Tradition und Zukunft“. Dieser Titel symbolisiert sehr deutlich, dass die Bürgervereine in Deutschland eine sehr lange Geschichte haben. Hier müssen wir lernen, dass fortzuführen und festzuhalten, was die Historie uns als positiv lehrt und mitgibt. Wir müssen aber auch lernen, dass vor dem Hintergrund sich ständig wandelnder ökonomischer, sozialer, demographischer, infrastruktureller und politischer Strukturen Bürgervereine neue Aufgaben mit zusätzlichen Inhalten haben. Bürgervereine sind die Spiegelbilder gesellschaftlicher Wandlungsprozesse. Sie sind Motoren für Fortschritt und Integration einer Gesellschaft. Wir müssen verbinden – das was gut in Vergangenheit und Gegenwart war und ist und das, was für die Gestaltung der Zukunft ansteht und notwendig ist.

 

Die Geschichte der Bürgervereine beginnt mit der Geschichte Sachsens! Ausgangspunkt der Gründung des 1. Bürgervereins in Deutschland im Jahre 1831 war die Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Ordnung in Sachsen. Konkret: hohe Steuern, zunehmende Verarmung, politische Rechtslosigkeit, feudale Lasten waren die Probleme dieser Zeit. Die damals absolutistische Regierungsweise verhinderte die Lösung dieser Probleme. Deshalb gründeten demokratisch gesinnte Bürger diesen ersten Bürgerverein auf deutschem Boden. Hauptaufgabe war die Ausarbeitung einer schriftlich fixierten Verfassung für das Königreich Sachsen mit den Kernelementen Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, allgemeines Wahlrecht sowie die Trennung von Staat und Kirche. Leider wurde dieser erste Bürgerverein im gleichen Jahr 1831 wieder verboten. Immerhin wurde eine neue sächsische Verfassung gegen Ende des Jahres verabschiedet.

 

Von Sachsen nach Hamburg. Um 1840 gründeten sich in Hamburg Bürgervereine, die mit der Politik der Erbeingesessenen Bürgerschaft nicht einverstanden waren. Bei dieser bürgerschaftlichen Organisationsform handelte es sich um eine Organisation von Großkaufleuten. Die in den vierziger Jahren in Hamburger gegründeten Bürgervereine vertraten wirtschaftliche oder politische Interessen von Stadtteilen oder Bevölkerungsgruppen, um die sich die bestehenden gesellschaftlichen Institutionen nicht kümmerten. So wurden zum Beispiel für die äußeren Stadtbezirke die gleichen Rechte gefordert, wie sie den inneren Stadtbezirken gewährt wurden. Konkret handelte es sich hier um handfeste Themen wie: Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung, sanitäre Einrichtungen oder auch Aufgaben der Armenpflege. Hintergrund dieser Aktivitäten war die bürgerliche Kritik gegen den obrigkeitlich regierenden Senat. Bereits im Jahre 1886 wurde der Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine gegründet. Er repräsentierte das Bürgertum in Hamburg, soweit es in Bürger-, Heimat- oder Kommunalvereinen organisiert war auf der außerparlamentarischen Ebene.

 

Als letztes Beispiel sei hier die Gründung der ersten Bürgervereine in Wuppertal genannt. Diese fällt in eine Zeit, wo große gesellschaftliche und politische Veränderungen entstanden. Mit der Gründung des zweiten Deutschen Reichs 1877 begann der Aufbruch von der fundamentalistischen Rückständigkeit in die bürgerliche Modernität. Das Bildungs-, Besitz- und Wirtschaftsbürgertum als neue selbstbewusste Gesellschaftsschicht entstand. Es war gleichzeitig die Ära der Gründung von Verbänden und Vereinen, so auch der Bürgervereine. Gleichzeitig wurde damit ein in den bürgerlichen Bevölkerungskreisen nie gekanntes Freizeitverhalten geweckt. Dies förderte die Gründung von Vereinigungen mit geselligen Zwecksetzungen. Diese boten dem Einzelnen die Möglichkeit der Identifikation mit übergeordneten Zielen. Der weitgehend auf Ordnungsfunktionen reduzierte Staat der Kaiserzeit war im leistenden und gestalteten Bereich wesentlich mehr als unser moderner Sozialstaat auf private Initiativen aktiver Bürger angewiesen. Hier setzen ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts die Bürgervereine an.

 

Genug der historischen Beispiele. Weitere ließen sich hier beliebig anschließen. Sehr interessant beispielsweise auch die Gründung und deren Hintergründe der ersten Bürgervereine in den Herzogtümern Schleswig und Holstein oder auch in Baden-Württemberg in den letzten Jahrzehnten des vor-vorigen Jahrhunderts.

 

Diese 1. Phase der Bewegung deutscher Bürgervereine, beginnend um 1840, fand mit den beiden Weltkriegen ein abruptes Ende.

 

Versucht man einmal, die gemeinsamen Merkmale dieser 1. Phase der Bürgervereine darzustellen, so sehe ich folgende allgemeine Elemente, die wir aus der Tradition im Interesse der Zukunft uns immer wieder vor Augen führen sollten.

 

1.                Bürgerverein heißt sehr häufig, gegen bestehende Strukturen und Prozesse zu sein

2.                Bürgervereine bringen Menschen für kollektive Themen zusammen

3.                Die Ideen von Bürgervereinen orientieren sich an übergeordneten, gesellschaftlich wichtigen Themen

4.                Bürgervereine bringen Menschen mit Vorstellungen gleicher Zielrichtungen zusammen

5.                Bürgervereine übernehmen Aufgaben, für die sich in unserer Gesellschaft keine Verantwortungen in anderen Institutionen finden

6.                Bürgervereine sind sehr oft eigenständiges Element von Wandel und Fortschritt

7.                Bürgervereine schließen sich häufig zu regionalen oder städtischen Allianzen und Regionalstrukturen zusammen

 

Nach dem zweiten Weltkrieg, startend mit dem Beginn der 50er Jahre nahmen viele Bürgervereine ihre Arbeit wieder auf und neue entstanden. Es war eine Zeit wieder erwachender Lebensfreude und entsprechendem Tatendrang. Bürgerschaftliches Engagement spielte eine entscheidende Rolle. Dies sollte sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verstärkt fortsetzen.

 

Lassen wir einmal eine Stimme aus dem Feld der Bürgervereine zu Wort kommen:

 

„Bürgervereine sind Motoren. Es sind sehr große Ressourcen, selbstbewusste und mündige Bürgerinnen und Bürger mit genauer Ortskenntnis, mit großem historischem Wissen über Besonderheiten von Städten und Orten, mit einem breiten Erfahrungsspektrum. Es existiert eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern, die sich Zeit nehmen für ihr Engagement und die in ihre ehrenamtliche Tätigkeit ihre Fachkompetenz einbringen. Menschen, die andere zu ehrenamtlichem Engagement begeistern und anstiften. Bürgerschaftliches Engagement kann auch schlicht Freude bereiten.“

 

Die Themen, um die sich Bürgervereine in den letzten Jahrzehnten gekümmert haben, sind sehr vielfältig. Hier spiegelt sich natürlich die Pluralität unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung wider. Hier spiegelt sich aber auch wider, dass öffentliche Schwerpunkt-Themen von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt, von Region zu Region, immer wieder andere sind. Das hängt zum einen davon ab, wie öffentliche Infrastrukturen und Problemsituationen konkret aussehen. Zum anderen spielen hierbei jedoch auch die Mitglieder der Bürgervereine eine Rolle, konkret die Interessen, Fähigkeiten und Persönlichkeiten, die sie miteinander verbinden.

 

Die Frage nach der Berechtigung von Bürgervereinen wird zu allen Zeiten mit ihren Zielen, Zwecken und Aktivitäten beantwortet werden müssen. Schaut man sich diese Ziele und Aktivitäten der Bürgervereine in den letzten Jahrzehnten an, so sind die sehr vielfältig. Auf einer relativ abstrakten Ebene findet man Formulierungen wie

 

-                     Verbesserung der Lebensqualität

-                     Zusammenschluss der Bürger

-                     Förderung des Gemeindewohls

-                     Pflege nachbarschaftlicher Gesinnung

-                     Erhaltung der bürgerlichen Gesinnung

-                     Aufrechterhaltung des Wir-Gefühls

-                     Interessenvertretung von Bürgern

-                     Schwerpunkt: Kommunikation und Miteinander

-                     Schaffung eines regen Gemeindewesens

-                     Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit

 

Wesentlich konkreter wird es dann bei den Themen, um die sich die Bürgervereine kümmern. Auszugsweise, da man hier eine Vollständigkeit auch in Ansätzen nicht erreichen kann, die am häufigsten zu findenden Themen:

 

-                     Sicherheit der Bürger

-                     Verkehrsplanung vor Ort

-                     Lärm und Umweltschutz

-                     Schul- und Bildungsfragen

-                     Kunst und Kultur

-                     Natur- und Umweltschutz

-                     Heimatpflege

-                     Denkmalschutz und Denkmalerhaltung

-                     Wohnen und Bauen

-                     Karitative und gemeinnützige Leistungen

 

Es ist fast unmöglich, eine Angabe darüber zu machen, wie viele Bürgervereine es in Deutschland gibt und wie viele Menschen sich dort bürgerschaftlich und ehrenamtlich engagieren. Nach der Vereinsstatistik 2005 gab es im Jahr 2005 fast 600.000 eingetragene Vereine. Das sind etwa 7 auf 1.000 Deutsche. Nun gibt es aber auch Bundesbürger, die in mehreren Vereinen Mitglied sind. Des Deutschen liebstes Vereinsthema ist der Sport, gefolgt von der Freizeit- und der Heimatpflege. Zumindest in der Heimatpflege sind auch Bürgervereine beteiligt.

 

In der Shell-Jugendstudie 2006 werden etwa 2.500 Personen befragt: „Setzen Sie sich aktiv in Ihrer Freizeit für soziale oder politische Zwecke in einer Bürgerinitiative oder einem Bürgerverein ein?“ Auf diese Frage antworten 72 % mit „Nein“ und 2 % mit „Ja“.

 

Verbindet man diese beiden Statistiken nun einmal miteinander, auch wenn dies statistisch und methodisch wissenschaftlichen Prinzipien nicht Stand hält, so erhält man zumindest eine Indikation.

 

2 % von 600.000 Vereinen führt zu 12.000 Bürgerinitiativen und Bürgervereinen. Der Einfachheit halber führen wir einmal die Arbeitshypothese ein, dass 2/3 dieser Zahl auf Bürgervereine entfällt, so würde das zu dem Schluss führen, dass es etwa 8.000 bis 10.000 Bürgervereine in Deutschland gäbe. Eine Zahl, die sich sehen lassen kann.

 

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf die Begriffe Bürgerinitiative, Bürgerverein und Bürgerstiftung eingehen.

 

1.                Bürgerinitiativen sind auf ein bestimmtes einzelnes Ziel ausgerichtet. Sie beziehen sich auf eine aktuelle Problemlage und sind zeitlich begrenzt. Sobald Bürgerinitiativen ihr eigentliches Ziel erreicht haben, ist ihre Tätigkeit beendet. Aus Bürgerinitiativen können sich Bürgervereine entwickeln

 

2.                Bürgervereine sind auf Dauer und auf mehrere Ziele ausgerichtet. Sie sind thematisch breiter angelegt und bieten ihre Mitarbeit generell für alle Arten des Bürgerinteresses an. Bürgervereine, wie auch Bürgerinitiativen, haben kein eigenes Vermögen, das sich der Verfügung durch die Mitglieder entzieht. Sie finanzieren sich durch Mitgliederbeiträge und Spenden.

 

 

3.                Bürgerstiftungen sind auf Dauer angelegte Institutionen, die Aktivitäten anderer Gruppen und Organisationen unterstützen oder Projekte auch selbst initiieren. Eine Bürgerstiftung betreibt einen langfristigen Vermögensaufbau. Ziel von Bürgerstiftungen ist es, einer großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Unternehmen, zu ermöglichen, spezifische Beiträge zum Gemeinwahl zu ermöglichen. Bürgerstiftungen können durchaus Bürgervereine fördern.

 

Bürgerschaftliches Engagement spielt sich in Deutschland heute sehr stark in Bürgerinitiativen, Bürgervereinen und Bürgerstiftungen ab. Bürgervereine sind thematisch breiter, pluralistischer und langfristiger angelegt als Bürgerinitiativen. Bürgervereine haben ein Finanzierungsmodell, das wesentlich stärker von den Mitgliedern selbst getragen wird als das bei Bürgerstiftungen der Fall ist. Bürgervereine werden von Mitgliedern; Bürgerstiftungen von den Stiftern getragen.

 

Wie stellt sich das Bild der Bürgervereine in der heutigen Zeit dar? Diese Frage möchte ich Ihnen aus meiner Sicht anhand von 7 Thesen darlegen.

 

These 1

Die zunehmende Globalisierung verbunden mit dem Vordringen moderner Kommunikationstechnologien führt zu einem ausgeprägten subregionalem Wir-Gefühl.

Die Welt um uns herum wird zunehmend kleiner. Immer mehr ökonomische und politische Entscheidungen betreffen mehrere Länder und sind nicht mehr auf einzelne Staaten zu beschränken. Nehmen wir als jüngstes Beispiel eines globalen Themas doch die aktuelle Wirtschaftskrise, die erstmals in der Geschichte die gesamte Menschheit betrifft. Gleichzeitig durchdringen moderne Kommunikationstechnologien mehr und mehr unser Leben. Denken Sie nur an Internet, Online Anschlüsse, Telefonkommunikation. Unsere Mobilität, ermöglicht auch durch weltweite Flugverbindungen und Billiganbieter, hat sich sprunghaft erhöht.

 

Auch diese Veränderungen bewirken auf emotionalem Gebiet, so seltsam das auch klingen mag, eine Sehnsucht, einer irgendwie fest definierten Gruppe anzugehören, um dort Geborgenheit und Orientierung zu finden. Damit sind wir beim oft zitierten Wir-Gefühl. Bürgervereine werden in Zukunft mehr denn je systematische „Wir-Gefühl-Organisationen“ sein. Die Menschen haben die Sehnsucht, lokal – auf Stadtteilebene, auf kommunaler Basis – zusammen zu wachsen und an gemeinsamen Themen zu arbeiten. Kommunikation und Miteinander sind die soziologisch-emotionale Zielorientierung der Bürgervereine. Konkret heißt das: Gemeinsame Feste und Zusammenkünfte, Neujahrsempfänge und Bildungsreisen, Verschönerungsaktionen und Heimatpflege, aber auch Fahnen und Anstecknadeln, um nur einiges zu nennen.

 

These 2

Zunehmende Mobilitäten, durch politische Entscheidungen oder Entscheidungen des Einzelnen ausgelöst, führen zu einer zunehmenden Integrationsnotwendigkeit.

Bewegung und Mobilität nehmen täglich zu. Nichts ist in Ruhe, alles bewegt sich. Städter ziehen ins nahe Kleinstädtische Umfeld, neue Stadtteile entstehen – alte verschwinden, Strukturen verändern sich, Familien und Rentner, neue Formen des Zusammenlebens – um das nur kurz zu beschreiben, was zunehmend passiert. Menschen suchen Neuorientierungen und neue Sozialeinheiten. Hinzu kommt das Thema, über das wir hier diskutieren: 20 Jahre danach heißt: Zwei Deutschland finden sich in einem wieder. All das heißt: Integration, Integration und noch einmal Integration. Bürgervereine spielen hier eine bedeutende Rolle. Bürgervereine sind gesellschaftlich anerkannte Integrationsorgane. Sie bilden die Basis für kommunale Gesellschaftsformen. Bürgervereine müssen sich stärker beteiligen. Sie sind in diesem Verständnis Institutionen des Zusammenführens von unterschiedlichen Kulturen und Wertvorstellungen. Bürgervereine sind Kultur- und Wertetiegel.

 

These 3

Unser Leben hat und wird sich in Deutschland unter dem Zufluss von Zuwanderungen aus dem Ausland kulturell, sozial und strukturell erweitern. Dies muss zu neuen Formen des Miteinanders führen.

 

Deutschland ist Einwanderungsland mit allen Formen der Assimilation, Integration und Migration. Ich möchte an dieser Stelle auf den Bürgertag in Düsseldorf verweisen. Hier sprach Dr. Dieter Stratmann zu diesem Thema. Ich darf kurz zitieren: „Warum drehen wir (und hier meinte er die Bürgervereine) den Spieß nicht um und laden zu Veranstaltungen gezielt die ausländischen Mitbürger ein? Warum laden wir nicht einmal den Vorstand der ausländischen Vereine zur Diskussion ein? Warum gehen wir als Bürgervereine nicht gemeinsam zu den Tagen der offenen Tür zu ausländischen Gruppierungen?“ Bürgervereine werden in Zukunft stärker als bisher die außen stehenden Mitbürger in die Bürgergemeinschaft eingliedern müssen. Ein gutes Beispiel sind hierfür interkulturelle Treffen. Bürgervereine sind Interessensgemeinschaften des öffentlichen Lebens. Sie koordinieren Vereine und andere Organisationen. Sie bilden die verkehrstechnische Infrastruktur für das Sprachrohr der Bürgerinteressen.

 

These 4

Die zunehmende Zersplitterung auf Parteienebene führt zu einer stärkeren Bedeutung des vorparlamentarischen Raumes.

Bürgervereine organisieren Interessen; Sie sind Sprachrohre des Bürgerwillens. Sie sind über ihre Existenzberechtigung politisch, weil sie Öffentlichkeit herstellen. Wie nehmen Bürgervereine ihre öffentlich politische Funktion heute wahr? Eigentlich in drei unterschiedlichen Kategorien.

 

a)                Bürgervereine sind total unpolitisch, d.h. Bürgervereine nehmen ihre politische Verantwortung überhaupt nicht wahr. So ist die Geschichte eines Bürgervereins bekannt, der ein vorgeschlagenes Informationstreffen mit dem Kandidaten einer Bürgermeisterwahl ablehnte mit der Begründung: „Wir sind voll und ganz unpolitisch!“ Natürlich kann man so denken, die Erwartungen vieler Bürger an einen Bürgerverein sind jedoch andere. Viele Bürger sehen in einem Bürgerverein ein Sprachrohr der Artikulation auch politischer Meinungen. Diese Ansicht vertrete auch ich.

 

b)                Bürgervereine engagieren und organisieren sich wie Parteien, haben kommunalpolitische Themen auf ihren Agenden. Sie stellen damit keine Partei dar, handeln aber wie diese, partei-ähnlich also. Bürgervereine treten dann auch als politisch wählbare Kraft auf, quasi wie freie Wählergemeinschaften. Hierbei handelt es sich sehr oft um Protestbewegungen, die daraus entstehen, dass man mit der Arbeit der Parteien nicht zufrieden ist. Nicht selten werden hier gute zweistellige Wahlergebnisse erreicht. Die Erwartungen vieler Bürger zu einem Bürgerverein sind jedoch auch hier anders. Sie wollen keinen Bürgerverein als Partei, sondern als nicht parteistrukturierte Interessensvertretung.

 

c)                Die mehrheitliche Meinung lautet: Bürgervereine nehmen ihre öffentlich-politische Rolle im vorparlamentarischen Raume wahr. Dies kann in vielfältiger Form sein: Gespräche mit Politikern, Mitarbeit in politischen Gremien, Entwicklung eigener Vorstellungen zu kommunalpolitischen Themen, Diskussionen mit Bürgern und Politikern – und dies immer pro-aktiv und engagiert. Dies gut wahrgenommen, machen Bürgervereine zu einem informellen Machtfaktor der Anregung und Durchsetzung von Bürgerinteressen! Der böse Satz heißt: „Der natürliche Feind des Kommunalpolitikers ist der aktiv engagierte und politisch interessierte Bürger.“ Meine Wahrnehmung und persönliche Erfahrung sind nach 20 Jahren Arbeit in Bürgervereinen eine andere: Miteinander und konstruktiv füreinander! Bürgervereine werden hier in Zukunft eine tragendere Rolle spielen müssen. Parteien zersplittern, Wählergemeinschaften entstehen, Einzelkandidaten wachsen aus dem Boden, Politikerverdrossenheiten und Politikfrustration nehmen zu, das Heer der Nichtwähler und Protestler steigt an. Bürgervereine sind in diesem Umfeld Institutionen des vorparlamentarischen Politikdesigns.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte an dieser Stelle nur noch drei weitere Thesen erwähnen, auf die ich jedoch nicht mehr detailliert eingehe:

 

These 5

Die öffentlichen Haushalte werden zunehmend finanzielle Probleme haben. Dies führt in einem Solidarstaat zu einer Aufgabenverlagerung in den privaten Sektor hinein. Bürgervereine übernehmen daher verstärkt Aufgaben, die sonst nicht mehr erledigt werden.

 

These 6

Die gesellschaftspolitischen Themen sprengen in Zukunft den Rahmen der kommunalen Einheiten immer mehr und führen zu Allianzen unterschiedlicher Organisationen. Bürgervereine brauchen daher eine überregionale und nationale Organisation.

 

These 7

Bürgervereine und Bürgerstiftungen werden in Zukunft dank ihrer gemeinsamen Zielsetzung zusammenwachsen, zu einer Art Bürger-Dachverband.

 

 

Sieben Thesen, sieben Zukunftsfelder für Bürgervereine! Viel getan, noch viel zu tun! Meine Rede werden Sie auf der Internet-Seite des Verbandes Deutscher Bürgervereine finden. Bitte schreiben Sie mir und geben mir Ihre Anmerkungen.

 

Schließen möchte ich mit einem Wort von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

 

Herzlichen Dank für Ihre Geduld.


Verwendete Informationen aus folgenden Internet-Quellen:

 

-         www.diebuergerschaft.de/geschichte.htm

-         www.buergervereine-bremen.de/wirvbb.htm

-         www.stadtverband-wtal.de/geschichte.htm

-         www.za-hamburg.de/za/geschichte.htm

-         www.buergerverein-panketal.de/pageID

-         www.vd-buergervereine.de/bueta-bericht.htm

-         www.statista.com/statistik/diagram/studie

-         www.marktplatz-nienstedben.de/buergerverein.html

-         www.buergerverein-accum.de/ueberuns

-         www.bv-stuttgart.de/artikel_rede_50-jahre-arb.htm

-         www.eo-bamberg.de/eob/dcms/bistum/firmen/buergerverein_ganstadt

-         www.buergerstiftungen.de/cps/rde/xchg

-         www.stefanzomilo.de/Detail-Ansicht

-         www.npo-info.de/vereinsstatistik/2005

-         www.in.pulheim.de/index

-         www.buergerverein-ellerau.de/seiten/wahlziele.html

-         www.wz-newsline.de/?redid=471442

-         Enstehungsgeschichte der Hamburger Bürgervereine, Hrsg: Bürgerverein Süderelbe

-         Peter Walkenholst, Bürgerstiftungen als neue Organisationsform zivilgeschichtlichen Engagements

-         Bürgerschaftliches Engagement im Sozialraum im Rahmen des Kölner Netzwerks bürgerschaftlichen Engagement